Bestrafet sei der Bösewicht

2006-07-02 08:35

Da war ich am Freitag abend endlich mal wieder in der Oper, Fidelio wurde gespielt (von van Beethoven, klar). Fazit: Enttäuschend, Schulnote 3 minus. Wahrscheinlich sollte ich öfter in die Oper gehen, um die Besetzung dieses Stückes abschätzen zu können.

Nachdem ich mich an den ausgeflippten Häuserwand- & Baum-Stehpinklern der FIFA-Fanmeile, die vor der Oper aufgebaut ist, vorbeigedrängelt hatte – erreichte ich unbeschadet das Leipziger Opernhaus.

Die Overtüre – zwei Minuten gespielt – und die erste Posaune fällt aus. Nein ernsthaft, sie war einfach weg. Ich habe Fidelio mit Sicherheit 50 mal oder noch öfter gehört – das war unbeabsichtigt. Ein schlechtes Omen. Nun, Herr Dirigent Herbert Blomstedt ist natürlich Profi, und lässt weiterspielen, dann eben erstmal ohne Posaune.


Der Erste Akt: der Vorhang lüftet sich.
Achherje, das Bühnenbild – ein neumodisches Gefängnis mit Überwachungskameras, alle auf einen Punkt gerichtet, Kontrollmonitore – nunja. Ganz viele Leute auf der Bühne (nach meinem Wissen spielen da erst einmal nur Jaquino und Marzelline). Dargestellt ist ein Aufenthaltsraum a la Kantine für die vielen weiteren Wärter, die sich um einen Bistrotisch drängen. Eine Tür geht auf, herein komtm eine Putzfrau, mit einem Gestell, wie es die Reinigungskolonnen auf Bahnhöfen benutzen, mit einem blauen Müllsack. Achherje. Immer noch ganz viele Leute auf der Bühne, Jaquino alias Sune Hjerrild tritt auf (herrlich dieser Mann – er war in meinen Augen die Starbesetzung, musikalisch und darstellerisch perfekt) – ähmm, immer noch ganz viele Leute auf der Bühne. Er beginnt:

Jetzt, Schätzchen, jetzt sind wir allein,
wir können vertraulich nun plaudern.
so sollte es sein: [MP3-Zitat]

Ich fühle mich wie im Kabarett – da stehen ein Dutzend Leute auf der Bühne, und er singt, sie wären zu zweit.
Dann Marzeline alias Robin Johannsen. Sie war auch sehr gut. Sowohl vom Gesang, als auch von der Darstellung. Um es etwas überspitzt zu sagen, diese zwei haben mich davon abgehalten, nicht vorzeitig den Saal zu verlassen.

Weiter!
Noch ein bisschen Rocco alias James Moellenhoff – man merkt es eben, dass deutsch nicht ihre Muttersprache ist – die Fähigkeit, Emotionen durch Betonung auszudrücken ist sicherlich das schwerste am Erlernen einer Sprache, und das Deutsche ist da so Facettenreich, bietet so viele Möglichkeiten -, dann endlich kommt Fidelio alias Leonore alias Amanda Mace. Vom Gesang her OK, aber das schauspielerische! Es gibt eine Szene (siehe Beispiel) – da war nichts, rein gar nichts von Emotionen zu hören. Auch hier wieder: es ist kein Vorwurf, das Amanda aus den USA kommt, aber bei einem solchen Stück ist sie fehlbesetzt.

Es ist schon lange her, daß er gefangen ist?
[Rocco] Es ist schon über zwei Jahre.
Zwei Jahre, sagt ihr? Er muß ein großer Verbrecher sein!
….
Warum denn nicht, ich habe Mut und Kraft!
so sollte es sein: [MP3-Zitat]

Ähmm, warum das Publikum so aufdringlich applaudieren musste – ja, sie haben sogar zwischendurch in das Orchester-Passagen hineinapplaudiert – blieb mir wieder einmal verborgen. Mir war eher nach Buhrufen. Früher waren die Leute, glaube ich, kritischer.

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