Online-Demonstration mit Folgen
2005-06-15 13:35Eine Heise-Meldung vom Dienstag über den Prozess zur online-Demo gegen die Lufthansa regt zum Nachdenken an. Die Organisatoren haben prinzipiell alles richtig gemacht, die Demonstration wurde beim Ordnungsamt angemeldet.
Der Verweis des Bundesjustizministeriums auf die Strafbarkeit der Datensabotage ist hinfällig und zeugt von mangelnder Sachkompetenz bzw. dem Versuch der Einschüchterung – denn Daten werden bei einem distributed Denial of Service nicht sabotiert.
Aber betrachten wir das ganze schrittweise. Es wird sowohl bei einer realen, als auch bei der virtuellen Demonstration selbige beim zuständigen Ordnungsamt angemeldet. Da die einhellige Meinung der Justiz so lautet, dass bei online-Straftaten jeder Staat und jeder Ort zuständig sein kann, an dem die strafbaren Inhalte abgerufen werden können, gilt im Umkehrschluß die Zuständigkeit eines jeden Ordnungsamtes. Das das Ordnungsamt Köln das 2001 nicht so sah, kann man dem Organisator ja nicht zur Last legen – der von diesem angeblich nahegelegten und nicht erfolgten Anmeldung beim Polizeipräsidenten schon eher. Ob die Politik zukünftig ein zentrales Amt für Zuständigkeiten im virtuellen Raum schafft, bleibt abzuwarten.
Nach unserer Anmeldung der Demonstration können nun also Maßnahmen ergriffen werden oder Auflagen erfolgen – zum Beispiel könnten Straßen gesperrt werden oder im Internet eben Router abgeschaltet werden. Auch sollte das Zielobjekt der Demonstration geschützt werden, indem Absperrgitter aufgestellt werden (oder eben spezielle Firewalls) oder gar das Gebäude für die Zeit der Demonstration geschlossen wird – also der Server abgeschaltet wird. Solche Abwehrmaßnahmen wurden von der Lufthansa 2001 natürlich vorgenommen – denn, die Lufthansa war informiert, dass eine Demonstration gegen ihre Internet-Server laufen wird – es war keine unangekündigte Attacke die z.B. durch Mail-Würmer gestartet wurde.
Was nun aber, wenn die online-Demo nicht friedlich zum angekündigten Zeitpunkt zu Ende geht. Die Polizei könnte nun vor den Servern, gegen die die Demo gerichtet ist, die Ausweise der Teilnehmer kontrollieren – also die IP-Adressen. Sie könnte auch vorübergehende Festnahmen oder den Einsatz des virtuellen Schlagstockes (z.B. in Form von Flooding der abgehenden IP) vornehmen oder auch die IP-Adressen in das echte Leben transformieren und tatsächliche Hausbesuche vornehmen – echte Kunden, die sich unter die Demonstranten mischen, haben dabei natürlich das Nachsehen, bei realen Demonstrationen ist es nicht anders – Wasserwerfer für alle Anwesenden.
Bei dem nun eröffneten Verfahren, das am 01.Juli fortgesetzt wird, hat die Verteidigung auf das Lüth-Urteil verwiesen.
In Zeiten, in denen die sozialen Kontakte ausgedünnt werden, nacheinander in jedem Bundesland eine „Internetwache der Polizei“ entsteht, Formulare und Gesetze teilweise nur noch im Internet zu erhalten sind – Steuererklärungen elektronisch und online (also nicht auf Datenträgern) abgegeben werden müssen, sollte Justizia – und damit meine ich insbesondere das Justizministerium, auch die Grundlagen schaffen, um hier klare Regelungen zu haben. Derzeit werden die Vorteile des Internet durch die Privatwirtschaft und den Staat genutzt, ohne sich den Problemen zu stellen – die Sicherstellung der Verfügbarkeit für alle, Konzeption einer ausfallsicheren Technik auch bei den Endkunden und natürlich klare Konzepte zur Wahrung der Ordnung und Sicherheit. Die pauschale totale Überwachung gehört da wiederum nicht dazu.
Wir sind Deutschland – machen doch wir die Gesetzesvorlagen wenn es die bezahlten Ministerialbeamten nicht schaffen.
Nachtrag:
Zwischenzeitlich wurde das Urteil gesprochen: 90 Tagessätze. Eine Einschätzung des Urteils findet sich im LawBlog sowie im Heise-Ticker und auf SPON